Heute trauern wir um Oleg Valger, der am 21. Januar 2004 von den 4 Rechtsextremisten Christopher Haugk, Enrico Willim, Danny Borowsky und Martin Fischer brutal getötet wurde. Das ist jetzt 21 Jahre her und bis heute ist Oleg nicht als Opfer eines rechtsextremen Mordes anerkannt…
Vor 20 Jahren organisierte das antifaschistische Bündnis „break the silence“ erstmals diese Gedenkveranstaltung, um auf das Verdrängen des rassistischen Mords an Oleg und den grassierenden Rechtsextremismus in Gera und Umgebung aufmerksam zu machen. Die Initiator*innen von damals schreiben in ihrem Aufruf für die Gedenkveranstaltung am ersten Jahrestag des Mordes: „Ein Jahr danach hat sich an den katastrophalen Zuständen nichts geändert.
Nach wie vor wird die Hegemonie rechter Alltagskultur nicht wahrgenommen, geschweige denn als Problem in Frage gestellt.“
Ein Großteil der Geraer Stadtgesellschaft zeigte keinerlei Interesse an dem rassistischen Mord an Oleg. Im Gegenteil vielmehr wurden diejenigen diskretitiert und alleine gelassen, die den allzu deutlichen Rassismus und Rechtsextremismus anprangerten. Dies wurde bereits bei der ersten
Gedenkkundgebung vor 20 Jahren allzu deutlich.
Denn die Geraer Polizei schottete die Veranstaltung mit einer Vielzahl an Beamten und sieben Einsatzfahrzeugen ab. Die Teilnehmer*innen der Mahnwache mussten sich kontrollieren und filmen lassen; OB und Polizeidirektor hatten zuvor gefordert der Gedenkkundgebung fernzubleiben.
Nur wenige Tage später wurde die Gedenkkundgebung zum 60. Jahrestag der Auschwitzbefreiung von Faschos mit Eiern beworfen, was die Cops aber wenig interessierte.
Nach einer Gedenkdemonstration am 29. Januar 2005 sprach der damalige Oberbürgermeister Ralf Rauch davon, dass der Tod Olegs „politisch missbraucht“ werde und bedankte sich für den „besonnenen Einsatz“ der Polizei.
Diese krassen Falschbehauptungen fielen bereits Monate nach Ende des Gerichtsprozesses, bei dem die Täter nach Jugendstrafrecht zu für Mord geringe Haftstrafen von 3,5 bis 10 Jahren verurteilt worden waren. Dabei war auch festgestellt worden, dass die „fremdenfeindliche Gesinnung der Täter für die Tat prägend“ gewesen sei.
Doch auch die OTZ bemühte sich darum, dies zu übergehen und machte sich im Vorfeld der bereits erwähnten Gedenkkundgebung über diese lustig, indem der Mord verharmlost und stattdessen von einem Zechgelage gesprochen wurde; die Teilnehmer*innen der Gedenkkundgebung würden an den Oleg erinnern, „der in der Mordnacht mit seinen späteren Mördern bis zur Drei-Promille-Grenze gezecht hatte.“
Der Mord an Oleg war jedoch eine von den Jungfaschos bereits im Vorfeld geplante und brutal durchgeführte Tat.
Vor Gericht gaben die Täter zu, bei vollem Bewusstsein gehandelt zu haben. Die Nazis hatten das Haus, in dem Enrico Willim, einer der Täter, und auch Oleg wohnten spät in der Nacht verlassen, um ihr Opfer daraufhin in dieses Wäldchen, an dem wir heute stehen, zu locken. Dort wurde Oleg mit Fußtritten und diversen Waffen regelrecht hingerichtet.
Der Haupttäter Christopher Haugk schlug mit einer Bierflasche solange auf den Kopf von Oleg ein, bis die Flasche zerbrach. Die drei weiteren Angeklagten traten dann in Bauch und Kopfgegend des Opfers. Nachdem sich Oleg nicht mehr rührte, gingen die vier zurück in die Wohnung von Willim. Dort angekommen wurde dann beschlossen, Oleg endgültig zu ermorden.
Die Nazis nahmen daraufhin eine Stabantenne, ein Nunchaku, ein Butterfly-Messer und einen Hammer mit zum Tatort. Insgesamt liefen die Täter dreimal hin- und her, jedes Mal erneut mit dem Vorhaben, ihre tödlichen Gewaltphantasien in die Tat umzusetzen. Die OTZ veröffentlichte wenige Tage danach mehrere Berichte der Polizei, laut denen ein politisches Motiv ausgeschlossen werden könne.
„Wenigstens eine Russensau weniger“ meinte der Jungfascho Danny Borowsky in der Mordnacht zu den anderen Tätern.
Vor Gericht zelebrierte der Haupttäter Haugk regelrecht den Moment von Olegs Tod, indem er vorgab sich nicht genau erinnern zu können, ob er sein Butterfly-Messer in Hals oder Kopf des Opfers gerammt hatte und die Tat daraufhin sehr ausführlich schilderte. Mit dem Hammer schlugen die Jungfaschos auf den Kopf ihres Opfers ein, mit Nunchaku und Stabantenne auf den wehrlosen Körper, mit dem Messer stachen sie über 30 Mal zu. Olegs Gesicht wurde von seinen Mördern bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und sein restlicher Körper mit 7 Schnitt- und 28 Stichverletzungen übersäht. Die Angeklagten geben offen zu, ihr Opfer so lange mit Waffen gefoltert zu haben, bis auch Olegs letztes Röcheln nachließ.
„Die unbewiesenen Behauptungen der linksautonomen Gruppen sind in hohem Maße geeignet, unserer Region den Stempel politischer Gewalttätigkeit aufzudrücken und werden in keinster Weise der Realität gerecht“, behauptete der damalige Polizeipräsident Lothar Kissel noch Monate nach Prozessende.
Die 4 Mörder Olegs kehrten nach ihrer grausamen Tat in die Wohnung Willims zurück und begannen bei lauter Musik und laufendem Fernseher mit 3 weiteren Nazifreunden zu feiern. Selbst als die Mutter von Oleg um 3.30 Uhr nichtsahnend bei den Mördern ihres Sohnes klingelte, gaben sich diese unwissend und grölten in der Folge einfach weiter. Entschuldigungen oder Gesten der Anteilnahme gegenüber der Familie Olegs blieben selbstverständlich auch später aus.
Der Gerichtsprozess ein halbes Jahr später wurde von grinsenden Nazis im Zuschauerraum begleitet. Diese machten mit „Thor-Steinar“ und „Landser“ Klamotten keinen Hehl aus ihrer Gesinnung und waren offensichtlich Bekannte der Angeklagten. Das Bündnis gegen Rechts Gera schrieb dazu in einer Stellungnahme nach dem ersten Verhandlungstag: „Die Anwesenheit einiger bekannter Personen der rechten Szene aus Gera während des Prozessauftakts, lässt erneut Rückschlüsse auf das Umfeld der Täter zu“.
Auch die Antifaschistische Aktion Gera schloss sich dieser Einschätzung an:„Dass es sich um einen politischen Prozess handelt, ist nicht mehr abzustreiten. Dafür sprechen nicht nur die Anzahl grinsender Nazis im Prozess oder die unverhohlene Freude über den Mord an einem Spätaussiedler. Noch entscheidender dürften die völlig emotionslose Hin- und Zurichtung eines Menschen und das Ausbleiben jeglicher Reue sein. Der derart bestialisch entladene Hass gegenüber dem Opfer kann nur mit einem hinreichenden Mordmotiv erklärt werden. Nur mit dem Hintergrund, dass die Täter völlige Verachtung gegenüber ihrem Opfer empfinden mussten – ein Zeichen für die tiefe Verankerung menschenverachtender Ideologie in deren Köpfen – lässt sich dieser Mord annähernd nachvollziehen.“
Der Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung, Uwe Müller, äußerte daraufhin in einem Interview mit Polizeidirektor Lothar Kissel die Befürchtung, dass die Antifaschistische Aktion Gera (AAG) dem Mord einen „politischen Stempel aufdrücken“ würde.
Die Geraer Antifaschist*innen schreiben vor 20 Jahren außerdem: „Dass der Prozess auf nur vier Verhandlungstage angesetzt wurde, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass dieser unangenehme Vorfall schnellstmöglich über die Bühne gebracht werden soll. In Gera gibt es keine Öffentlichkeit, die sich an dem rassistischen Diskurs stört und den politischen Skandal thematisiert. So ist es auch zu erklären, dass sich keinerlei Widerstand vonseiten der Stadt regt,
wenn die NPD wie zuletzt am 10. Juli ein Nazikonzert in der Innenstadt veranstaltet und 150 zumeist gewaltbereiten Jugendlichen den Soundtrack zu Mord und Totschlag liefert.“
Auch im Jahr 2025 ist die Geraer Innenstadt Schauplatz rassistischer Musik und Parolen, beispielsweise wenn die sog. Gersche Jugend mit Bluetooth-Box durch die Straßen zieht oder montags „Remigrations“-Sprechchöre initiiert.
Rechtsextreme Kontinuiatät in den letzten mehr als 21 Jahren verkörpert gleichzeitig Christian Klar. In den 90-er Jahren im Umfeld des NSU-Kerntrios großgeworden, bemüht er sich mittlerweile um ein anschlussfähigeres, „friedliches“ Bild nach Außen; gleichzeitig grölten erst letzten Montag 300
„Spaziergänger*innen“ auf sein Kommando Abschiebeparolen, vergangenes Wochenende war er Redner auf einer Demo der „Freien Sachsen“ in Chemnitz. Dort rief er zum Sturz der Bundesregierung auf und verglich „seine“ GJ mit der Dresdner „Elblandrevolte“, die in den vergangenen Monaten mehrmals politische Gegner*innen angriff und (schwer) verletzte.
Bald findet in Gera auch die zweite Instanz im Prozess gegen die Eisenacher Nazi-Vereinigung Knockout51 statt, die sicher auch der GJ als Vorbild dient. Hier wird es, ähnlich wie vor 20 Jahren, aufschlussreich sein, welche Faschos sich dann im Gerichtssaal mit ihren Kameraden solidarisch zeigen werden.
Vor 20 Jahren schrieben wie anfangs erwähnt die Initiator*innen der ersten Gedenkveranstaltung für Oleg: „Ein Jahr danach hat sich an den katastrophalen Zuständen nichts geändert. Nach wie vor wird die Hegemonie rechter Alltagskultur nicht wahrgenommen, geschweige denn als Problem in Frage gestellt.“
Auch heute müssen wir feststellen, dass rechte Gewalt nachwievor verharmlost oder gar totgeschwiegen wird.
Stadt und Polizei sehen entweder den immer noch weiter salonfähiger werdenden Rechtsextremismus nicht, oder wollen diese Tatsache und die mit diesem Eingeständnis notwendigwerdenden Maßnahmen nicht anerkennen.
Als sich OB Dannenberg im vergangenen Oktober erstmals verhalten kritisch zu den wöchentlichen, rassistischen Montagsspaziergängen äußerte, sprach er von einem Imageschaden für die Stadt Gera; „Die Heimat von knapp 100.000 Menschen“ werde „als Lebens- und Wirtschaftsstandort nachhaltig geschwächt.“
Auf die tatsächliche und täglich für viele Menschen reelle Gefahr von Rechtsextremismus und rechtsextremer Gewalt, besonders für von Faschos als Feinde markierte Menschen, wie migrantisch gelesene, queere und FLINTA Personen, ging der Bürgermeister nicht ein.
Heute sind wir in Trauer um Oleg Valger vereint. An ihn und all die anderen Opfer von rassistischer, rechtsextremer Gewalt zu gedenken heißt auch sich gegen Nazis zu engagieren und alles in unserer Kraft stehende zu tun, um weitere Morde und Gewaltaten von Rechtsextremisten, auch hier in Gera,
zu verhindern.
Enden möchte ich wie die schon mehrfach zitierten Antifaschist*innen vor 20 Jahren:
„Kein Vergeben – Kein Vergessen!
Wandelt Wut und Trauer in Widerstand!”